Diskokugel am Landwassereck

Autor
Christoph Molz
Datum
07.05.2011

Als ich am frühen Morgen aus dem Wohnwagen schaue, sehe ich einen blauen Himmel. Schon wieder schönes Wetter, wie beim 200er,  das ist ja unglaublich, fast schon langweilig! Den 300er hatten wir wg. Terminüberschneidungen in Nordbaden, auch bei gutem Wetter,  gemacht, Der 400er ist für mich und Christina, meine Vereinskameradin, pannenbehaftet: im Vorjahr hatten wir zahlreiche Probleme; das „Highlight“ war ein Dachs, der uns um Mitternacht vor die Räder lief.  Ich denke mir:  das kann nur besser werden.  Naja, viel besser wars auch nicht.....
BRM400 2011Nach dem Frühstück im Augustiner machen sich an die 100 Brevetteilnehmer reisefertig. Um 8 Uhr geht’s Richtung Schwarzwald, in die aufgehende Sonne, ein traumhaftes Bild. Es bilden sich rasch 2 Gruppen, die sich erst am Anstieg zum Thurner auflösen werden. Im unteren Teil des Anstiegs der erste Halt: Wir sind zu warm angezogen. In Anstieg auf den Thurner stelle ich fest, dass auch auf 800m Höhe die Wiesen teilweise schon gemäht sind! Der Frühling hat also, dank des warmen Wetters,  sehr früh eingesetzt. Kurz vor Hammereisenbach überholt uns eine Vierergruppe, der wir uns, auf freundliche Aufforderung, gerne anschließen. In Bräunlingen die erste Kontrolle, durch die Eltern von Urban, wie man unschwer an der großen Ähnlichkeit des Vaters mit dem Sohne erkennen kann! Danach geht’s zum Rheinfall in Schaffhausen, der in diesem Jahr weniger spektakulär aussieht: der Rhein hat aufgrund der anhaltenden Trockenheit wenig Wasser. Vorn dort aus machen wir uns auf den langen und öden Weg nach Konstanz.  
BRM400 2011Der Bodensee hat einen fast schon historisch niedrigen Wasserspiegel; man hat das Gefühl, man könnte an einigen Stellen bis zu anderen Ufer rübergehen.  In Konstanz habe ich die Gelegenheit, mir die beiden futuristischen Liegeräder zweier Mitfahrer näher zu betrachten. Ein Beobachter murmelt was von „200 Stunden Arbeitszeit“.  Die beiden Liegeradler werden wir am Landwassereck wiedersehen, einer ist für die Überschrift verantwortlich.... Das nächste Ziel ist Beuron. Wir sind wieder in einer 8er Gruppe. Plötzlich ein Ruf von vorne, gleichzeitig kommt mir eine Kamera entgegengeflogen. Ich weiche aus und bremse, aber für Christina ist es zu spät; sie touchiert mein Hinterrad und stürzt. Zum Glück reagieren die folgenden Autofahrer ebenfalls schnell und bremsen.  BRM400 2011Der Sturz geht glimpflich ab; Schürfwunden und ein etwas lädierter Helm, was die Wichtigkeit dieses Teils mal wieder unterstreicht! Außerdem hat sie einen Platten vorne.  Die ganze Gruppe hält an, hilft und wartet, bis Christina wieder fahrbereit ist: ein schönes Beispiel der Solidarität unter Randonneuren! Einer weist mich an, ich solle mich um meine Tochter kümmern; er würde nach dem Rad schauen: sehe ich so alt aus oder Christina so jung???  Ich hoffe letzteres: sie ist 14 Jahre jünger als ich und „nur“ eine Vereinskameradin....Nach ca. 20min können wir weiterfahren.BRM400 2011 Ich sinniere: Christina war dicht hinter mir im Windschatten und das wurde ihr zum Verhängnis; sie hatte sich im letzten Trainingslager unserer Triathlonabteilung diesbezüglich den Ruf  „ Terrier; beisst ins Hinterrad“  eingehandelt.  Umgekehrt wärs sinnlos: sie bietet, wie die meisten Frauen, kaum Windschatten, wie wir aus vorhergegangenen Berichten jetzt wissen....;-). Für uns Triathleten ist das eh ungewohnt, da bei uns in Wettkämpfen zumeist Windschattenverbot besteht. Aber das hier ist ja ein Brevet.
Wir sehen das Kloster Beuron zum ersten Male bei Tageslicht, im letzten Jahr waren wir erst in der Dunkelheit dort angekommen. Hier ein etwas längerer Halt, da die Bewirtung recht lange dauert, was uns die Gelegenheit gibt, sich mit anderen Teilnehmern zu unterhalten. Auf dem Weg nach Balingen bricht die Dunkelheit herein. Es geht weiter in Richtung Freudenstadt und die Strecke wird wieder bergiger. Faszinierend ist die Fahrt im schmalen Lichtkegel der Radlampen, umrahmt von den Geräuschen der Nacht. 20km vor Freudenstadt  überholen uns drei Mitfahrer in deutlich schnellerem Tempo. Ich schließe auf, froh um Windschatten. Aus unserem Bummelzug wird kurzzeitig ein Schnellzug. An einem steilen Anstieg  ist dann Schluss mit lustig: BRM400 2011Christina ist völlig erschöpft , sicher eine Folge des Sturzes, und muss eine Pause einlegen. Nach 10 min fahren wir weiter bis nach Freudenstadt. Hier haben wir eine längere Pause nötig  und verpflegen uns gut, bevor wir weiterzufahren. Ich ziehe mir ein Schweineschnitzel rein, was mir später noch längere Zeit schwer im Magen liegt. In der Tankstelle lernt man endlich mal auch andere Teilnehmer zumindest optisch näher kennen, da viele eine längere Pause machen. Der Helm und die Radbrille vereinheitlichen das Aussehen, ohne diese beiden Utensilien bekommen die Mitfahrer plötzlich ein Gesicht! Die meisten  sind recht erschöpft, aber alle guter Dinge. Keiner hat es eilig. Die freundliche Bedienung erschwert die Weiterfahrt. Kommentar angesichts unserer Sitzgelegenheiten: Gottseidank ist heute der Telefonbücherstapel angekarrt worden....Die Abfahrt nach Wolfach wird weniger kalt wie erwartet, geht allerdings im Dunkeln recht langsam vor sich. Auch die Augen werden zusehens müder.   Irgendwo vor Wolfach  sehe ich in der Abfahrt links ein flackerndes Lagerfeuer mit Menschen. Gleichzeitig höre ich ein kollektives Anfeuerungsgebrüll!! Vermutlich  von Urban und Walter bezahlte Statisten....? In Wolfach werden wir erst von Autofahrern beschimpft, dann aber  an einer Ampel in ein längeres Gespräch mit feiernden Anwohnern und Radfahrfans verwickelt, die unbedingt wissen wollen, wo wir und die vielen anderen Nachradler denn herkommen. Besonders hat sie die gute Beleuchtung beeindruckt!! Und: Immerhin waren wir die ersten, die angehalten  und ihre Fragen beantwortet haben: Wo kommt ihr her? Was macht ihr hier um diese Zeit? Waaas?; übers Landwassereck schicken die euch? Na, viel Spaß.....Die letzte Rampe kommt in Sicht, der Anstieg zum Landwassereck, mit 18% angegeben. Hier treffen wir nochmal auf die beiden Liegeradler. Wie im Vorjahr entschließen wir uns dazu, die steileren Passagen zu schieben; was mit den MTBikeschuhen kein Problem ist. Die Liegeradler überholen uns : sie haben eine sehr gute Übersetzung gewählt. Kommentar: eure Beleuchtung erinnert  an eine Diskokugel.! Na, dann passts ja! Oben angekommen, beginnt es zu dämmern; rechts erscheint das Morgenrot. Das erleichtert  die Abfahrt deutlich.  Nochmal sind zwei kurze Pausen nötig; die erste in Wolfach in einem Hauseingang. Wir sehen einige Randonneurgruppen vorbeidüsen; wir in einem Film. Vermutlich sind wir wieder die letzten  Ankömmlinge.   Bei der zweiten Pause in Niederwinden schlafe ich für ca. 10 Minuten,  auf einer Treppe im Vorraum einer Firma  im Sitzen ein, den Kopf auf den durch die Knie abgestützten Arme; das ist mir noch nie passiert. Dieser kurze Schlaf reicht jedoch; ich bin danach wieder einigermaßen fit! Den restlichen Weg durch das Elztal kennen wir aus zahlreichen Radtouren; schließlich ist das unser Trainingsrevier.  Um 7 Uhr erreichen wir das Augustiner, welches leider noch geschlossen hat: das beliebte Andechser bleibt uns verwehrt! Aber: Immerhin 4 Stunden früher als im Vorjahr!
Der 400er war auch dieses Mal  für uns problembehaftet, letztendlich ist aber alles gut gegangen. Da müssen wir halt  im nächsten Jahr nochmal antreten. .....Ansonsten: mal sehen was der Jurabrevet bringt!