200er "Das Rad des Fortschritts …"

Autor
Martin
Datum
16.10.2021

… dreht sich, wohl oder übel, immer weiter und weiter. Selbst Hindernisse pandemischen Ausmaßes bringen es nicht zum Stillstand – ja scheinen es sogar zum Teil eher zu beschleunigen. Wieso sollte also die Digitalisierung, die einen Lebensbereich nach dem anderen umkrempelt, vor dem Radsport halt machen???

Am Ende hätte es wohl keiner Pandemie bedurft, um den digitalen Radsport auf der Rolle ins Wohnzimmer zu holen. Wahrscheinlich werden die Menschen sich eh bald fragen, warum man früher überhaupt das Haus zum Radfahren verlassen hat in Anbetracht der Gefahren, die draußen lauern, und der mangelnden Synergien mit Homeschooling-Betreuung oder Videokonferenzen. Ebenso wahrscheinlich ist allerdings, dass selbst dann noch die Ewiggestrigen, die Randoneure von ARA Breisgau, im April an den Start rollen, um den 200km Breisgau Brevet im „real-life“ zu absolvieren. Wobei selbst diese sich nicht vollends dem Fortschritt entziehen können und dieses Jahr mit der Tatsache konfrontiert waren, statt analoge Stempel zu sammeln, mit einer „digitalen Brevetkarte“ ausgestattet Nullen und Einsen zu produzieren hatten.

Wer sonst gerne vom notwendigen Wandel oder gar Transformation spricht, sollte sich diesem nicht einfach komplett verweigern, wenn er dann auch mal beim geliebten Hobby ansteht. So sollte diese Digitalisierung für mich also kein Hindernisgrund sein im April wieder den Schwarzwald und angrenzende Regionen, bei besagtem Brevet, zu besuchen. Denn auf der Rolle im Wohnzimmer lässt sich der Brevet, noch?, nicht absolvieren. Da es, wie zu erwarten, wieder nasskalt im Breisgau, und die Lenkertasche, nicht auffindbar war bin ich ausnahmsweise mit Rucksack gestartet. Wie üblich für Packtaschen hat sich auch mein Rucksack vor der Fahrt komplett gefüllt, mit einer Banane in der rechten Seitentasche. So rollte ich also los am Freiburger Wiehrebahnhof, der Regen der Morgenstunden hatte zum Glück aufgehört. Coronakonform wurde nur in Kleinstgruppen gestartet und es wurde penibel Abstand gehalten. Wobei zugegeben werden muss, dass Fahrradfahrer einen Vorteil in der Pandemie haben – sie sind sehr geschult auf den Abstand von 1,5m und spüren, im Gegensatz zu vielen Autofahrern, wann er unterschritten wird. So rollten wir, meine neue Radbekanntschaft Markus und ich, also durch das Dreisam- und Wagensteigtal, und dann über steile Schleichwege auf den Thurner. Vereinzelt gab es auf über 1.000 m noch Schneereste aber die Temperaturen waren erträglich als es das Urachtal hinab und dann wieder, an der Lienachtalsperre vorbei, empor ging.

Nach der langen Abfahrt durch Siemonswald erwartete uns dann, erwartungsgemäß, die Rampe zu Gescheid.  Und obwohl dieser Anstieg schon immer sehr steil war, empfand ich ihn dieses Mal zum ersten Mal als „exponentiell“. Auf exponentielle Anstiege getrimmt vergrößerte ich, ok – ehrlicherweise eher mein Mitfahrer Markus, sofort den Abstand so dass ich ihn erst in Riegel wieder einholen sollte. Gesunder Randoneursverstand sagt dann, „das Tempo war zu hoch – fahre lieber langsam“. Da eine gesunde Naivität und zu erwartender Gegenwind in der Rheinebene jedoch eher „wird schon irgendwie passen“ sagten machte ich mich, ohne Pause in Riegel, doch wieder mit Markus Richtung Neuenburg auf. Einen Halt beim Edeka in Endingen nutze ich dann dafür meinen Rucksack wieder mit Essen vollzustopfen. Aus Gründen der Symmetrie ergänzte ich die oben erwähnte Banane nun um eine Weitere für meine linke Seitentasche. Eine große Hilfe war ich auf unserem Weg ins Markgräferland nicht aber trotzdem zunehmend erschöpft als es an die ersten der vielen „letzten“ Rampen ging. Als kurz vor Staufen das Gefährt mit doppeltem Antrieb an uns vorbeischoss hatte Markus offensichtlich seine Aufgabe gefunden und schoss hinterher. Ihr wisst ja alle, nur Dreiergruppen sind erlaubt – so viel es mir sehr leicht sie alle ziehen zu lassen und nach knapp 180 km endlich mal mein Tempo zu fahren, bzw. schleichen. Ganz so schlimm war es dann nicht, aber ich war doch froh als irgendwann auch Sölden erklommen war und es durch Merzhausen nur noch hinab nach Freiburg ging. Auf den letzten Kilometern sammelten sich dann doch einige Fahrer zusammen, so dass wir in einer kleinen Gruppe und gutgelaunt am Wiehrebahnhof für unsere letzte digitale Kontrolle ankamen.

Epilog

Und so wie sich aufmerksame Leser*innen jetzt fragen, warum ich denn die Banane erwähnte, fragte ich mich zuhause auch warum diese, nach ihrer Reise aus Südamerika, denn noch unbedingt Schwarzwald, Kaiserstuhl, Rheinebene und Markgräferland sehen mussten, bevor sie wieder in meiner Küche lag. Ich hoffe zumindest die Fahrt hat ihr so gut gefallen wie mir. @Markus – danke für den Windschatten.